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Stille als Medizin: Wie sich Lärm auf unsere Gesundheit auswirkt



Der Ver­kehr auf den Strassen und der damit zu­sammen­häng­ende Lärm nimmt von Jahr zu Jahr weiter zu. Damit wächst die Be­deut­ung des Um­weltschutz­ge­setzes und der Lärm­schutz­ver­ord­nung, denn der ver­ur­sachte Lärm wirkt sich nach­weis­lich negativ auf die Ge­sund­heit aus.

Mit dem Be­schluss des eidg. Par­la­ments vom Sep­tem­ber 2024 wurde die Ge­setz­ge­bung an­ge­passt. Neu sind mehr Aus­nahmen und Alter­nativen zu den bis­herigen Mass­nahmen mög­lich. Einer­seits be­deutet dies eine Lockerung des be­stehenden Rechts­rahmens, anderer­seits er­fordert die Er­bringung der not­wendigen Lärm­schutz­nach­weise an­ge­sichts neuer Be­griffe und technischer Mass­nahmen deutlich detailliertere Ab­klärungen.

Lärm und Gesundheit
Lärmmessung

Worum es geht

Der Verkehr ist eine der wichtigsten Ursachen für die Lärmbelastung in der Schweiz. Mit wachsender Mobilität und dichter werdenden Siedlungsstrukturen steigt die Belastung für Mensch und Umwelt kontinuierlich an. Lärmschutz ist daher nicht nur eine Frage der technischen Machbarkeit, sondern auch ein zentrales Element der Raum- und Gesundheitsplanung.

Verkehr und Lärm nehmen zu

Der Strassenverkehr wächst jedes Jahr und mit ihm der Lärm, der nicht nur durch Motoren, sondern je länger je mehr auch durch die Reifen entsteht. Die zunehmende Elektromobilität ändert daran nichts. Im Gegenteil: Neuere Studien zeigen, dass das höhere durchschnittliche Fahrzeuggewicht und die grösseren Reifen bei Elektroautos die Abrollgeräusche verstärken. Ab rund 30 km/h sind diese Geräusche hauptverantwortlich für den Verkehrslärm.

Schutz vor übermässigem Lärm

Um die Bevölkerung vor ge­sund­heits­schädlichem oder lästigem Lärm zu schützen, hat der Bund im Umweltschutzgesetz und in der Lärmschutzverordnung (LSV) klare Grenzwerte festgelegt. Diese gelten für verschiedene Lärmarten – von Strassen- über Bahn- bis hin zu Industrie- und Gewerbelärm – und legen fest, ab wann das Wohlbefinden von Anwohnerinnen und Anwohnern erheblich beeinträchtigt wird.

Lärm in der Nacht

Warum das wichtig ist

Lärm betrifft uns alle, unabhängig von Alter, Wohnort oder Lebenssituation. Er wirkt dauerhaft im Alltag, beeinträchtigt die Erholungsphasen und belastet die Gesundheit. Deshalb ist Lärmschutz nicht nur ein individuelles, sondern auch ein ge­samt­ge­sell­schaft­liches Anliegen, das eng mit Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit unserer Städte und Gemeinden verbunden ist.

Lärm macht Krank

Lärm ist ein Stressfaktor mit weitreichenden Folgen. Er beeinflusst den Stoffwechsel, kann Schlafstörungen auslösen und das Herz-Kreislauf-System belasten. Herzinfarkte und Schlaganfälle treten unter hoher Lärmbelastung häufiger auf. Zudem gibt es solide Hinweise darauf, dass Lärm auch die mentale Gesundheit beeinträchtigt.

Tödliche Folgen

Die gesund­heitlichen Be­last­ungen durch Lärm führen nicht selten zu vor­zeitigen Todes­fällen. In der Schweiz werden jähr­lich rund 500 Todes­fälle statis­tisch auf Ver­kehrs­lärm zu­rück­ge­führt. Doch auch ohne lebens­bedrohliche Folgen bleibt Lärm eine er­hebliche Be­lastung für das Wohl­befinden.

Immer mehr Betroffene

Mit dem Bevölkerungswachstum und der zunehmenden Verkehrsdichte steigt auch die Zahl der Lärmbetroffenen. Heute wohnt rund jede zehnte Person in der Schweiz an einem Ort, an dem die Lärmbelastung schädlich oder zumindest lästig ist. Das betrifft etwa 740’000 Menschen allein beim Strassenverkehr. Hinzu kommen weitere Belastungen durch Bahn-, Industrie- und Gewerbelärm, die das Problem zusätzlich verschärfen.

Christian Gurtner
«Lärm ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern auch ein Gesundheitsrisiko. Ein wirksamer Lärmschutz ist deshalb ein zentraler Bestandteil moderner Stadt- und Raumplanung.»
Jirí Jordán

«Lärm ist nicht nur ein Um­welt­problem, sondern auch ein Ge­sund­heits­risiko. Ein wirk­samer Lärm­schutz ist des­halb ein zentraler Be­stand­teil moderner Stadt- und Raum­planung.»

Bergsee Stille

Wie es weitergehen kann

Die Herausforderungen im Lärmschutz erfordern neue Ansätze und ein Zusammenspiel verschiedener Ebenen, von technischen Innovationen über rechtliche Vorgaben bis hin zu einer stärkeren Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. Nur wenn Planung, Politik und Gesellschaft zusammenwirken, lassen sich nachhaltige Lösungen entwickeln, die Verkehrslärm reduzieren und gleichzeitig Raum für Entwicklung und Lebensqualität schaffen.

Nicht Lärm bekämpfen, sondern Ruhe fördern

Oft liegt das Problem weniger im Lärm selbst als im fehlenden Bewusstsein für seine gesundheitlichen Folgen. Anstatt nur den Lärm zu bekämpfen, sollte vielmehr die Förderung von Ruhe in den Vordergrund rücken. Genau dies hat der Bundesrat mit dem Massnahmenplan Lärm erstmals auch auf strategischer Ebene festgehalten: Ruhe soll gezielt geschützt und gefördert werden.

Parlament beschliesst Lockerung des Lärmschutzes

Im September 2024 hat das eidg. Parlament eine weit­gehende Lockerung des Lärm­schutzes im Umwelt­schutzgesetz verab­schiedet und damit ins­be­sondere die Hürden für die Er­richtung von neuem Wohn­raum ver­ringert. Neu gilt: Werden die gesetz­lichen Grenzvwerte nicht ein­gehalten, können Bau­herr­schaften statt baulicher Mass­nahmen auch auf eine kontrollierte Wohn­raum­lüftung setzen. Diese sorgt automatisch für Frisch­luft, ohne dass Fenster geöffnet werden müssen, und kann mit Schall­dämmung kombiniert werden.

Alternativ reicht es künftig auch aus, wenn die Lärm­grenz­werte an einem Teil der Fenster von Wohn- oder Schlaf­zimmern ein­gehalten werden – nicht mehr zwingend an allen. Damit geht das Gesetz auch über die bis­herige und vom Bundes­gericht ab­gelehnte «Lüftungs­fenster­praxis» hinaus, die sich mit einem Fenster mit ein­gehaltenen Grenz­werten pro Wohn­raum begnügte. Es eröffnet so zu­sätzliche Spiel­räume für Bau­projekte, stösst jedoch auch auf Kritik, da es die An­forder­ungen an den Schutz der Be­wohnerinnen und Bewohner vor Lärm merklich senkt.

Wie lange dauert die Umsetzung?

Bis die neuen Regeln in Kraft treten, dürfte es noch Monate dauern. Dafür müssen offene Fragen durch eine An­passung der Lärm­schutz­ver­ordnung geklärt werden, welche aktuell in einer Ver­nehm­lassung dis­kutiert wird. Diese Über­gangs­zeit führt zu Rechts­unsicher­heit, insbe­sondere für Bau­herren und Planer. Hinzu kommt, dass der ver­abschiedete Gesetzes­text neue Begriffe und technische Mass­nahmen einführt, deren konkrete Anwendung noch nicht ab­schliessend definiert ist.

Fazit

Ruhe und Gesund­heit hängen eng zusammen. Lärm­schutz be­deutet deshalb immer ein sorg­fältiges Ab­wägen: völlige Risiko­freiheit ist nicht erreich­bar, doch ge­zielte Mass­nahmen können die Be­lastung deut­lich senken.

Für Investoren und Bau­herren wird es zunehmend ent­scheid­end, die Rechts­lage klar ein­schätzen zu können. Denn die neuen Vor­gaben im Umwelt­schutz­gesetz und in der Lärm­schutz­verordnung mit ihren Ausnahmen und Alter­nativen lassen zwar gewisse Frei­heiten, machen eine fachg­erechte Er­mittlung und Dokumentation der Lärm­situation aber umso komplexer und wichtiger. Nur wer diese sauber im Lärm­schutz­nachweis fest­hält, kann die Bewilligungs­fähigkeit von Bau­vor­haben lang­fristig sicherstellen.